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Meinung

INFORMATIK 2021 - Informatik und Nachhaltigkeit

Der Vorstand der Gesellschaft für Informatik (GI) will Nachhaltigkeitsfragen noch stärker in den Fokus der Arbeit der gesamten Fachgesellschaft rücken und hat deshalb beschlossen, als Auftakt zu einem umfassenderen Prozess die nächste Jahrestagung, die „INFORMATIK 2021“ in Berlin, unter das Leitthema „Informatik und Nachhaltigkeit“ zu stellen. Ein Beitrag von Ulrike Lucke, Vize-Präsidentin GI.

Fridays for Future hat den Klimawandel verstärkt in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Doch Fragen der Nachhaltigkeit stehen schon lange im Fokus der Wissenschaft. Auch Politik und Wirtschaft haben den bestehen-den Handlungsdruck erkannt. Dabei bedarf die Nachhaltigkeitsbetrachtung eines viel breiteren Betrachtungswinkels als der Klimaschutz. Dies zeigen etwa die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, insbesondere im Kontext der Digitalisierung. Die Digitalisierung – und damit ihre Bezugswissenschaft: die Informatik – ist ein wichtiger Baustein der Lösung auf dem Weg zur Erreichung der Nachhaltigkeits- und Klimaziele. Ohne intelligente Lösungen, ohne die Informatik und ihre Konzepte, werden die Nachhaltigkeitsziele nicht zu erreichen sein. Gleichzeitig ist die Digitalisierung auch Teil des Problems, weil durch die zunehmende digitale Vernetzung enorme Ressourcen benötigt werden. Das umfasst sowohl Energie (zum Beispiel für den Betrieb von Infrastrukturen) als auch Rohstoffe (zur Herstellung der Hardware-Komponenten).

Nachhaltigkeit in der GI

In der Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) spielen Nachhaltigkeitsbetrachtungen schon sehr lange eine wichtige Rolle. Schon 1986 formierte sich eine Gruppe motivierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Interesse am Umweltschutz hatten und digitale Technologien zur Gewinnung und zum Austausch von Umweltinformationen nutzten. Nach einem ersten Symposium in Karlsruhe hat sich in der GI 1987 eine Pioniergruppe gegründet: Die Fachgruppe „Informatik für den Umweltschutz“. Kurze Zeit später bildeten sich weitere Arbeitskreise u. a. zu Umweltdatenbanken, zu Umweltverträglichkeitsprüfungen und zur Visualisierung von Umweltinformationen. Heute beschäftigt sich der Fachausschuss „Umweltinformatik“ mit allen aktuellen Fachfragen des Informatik-einsatzes in den Bereichen Informationsaufbereitung für Umweltschutz, Umweltplanung, Umweltsanierung und Umweltforschung und mit dem Einsatz modernster Kommunikationsmethoden.

Der Vorstand der Gesellschaft für Informatik will Nachhaltigkeitsfragen noch stärker in den Fokus der Arbeit der gesamten Fachgesellschaft rücken und hat des-halb beschlossen, als Auftakt zu einem umfassenderen Prozess die nächste Jahrestagung, die „INFORMATIK 2021“ in Berlin, unter das Leitthema „Informatik und Nachhaltigkeit“ zu stellen. Gemeinsam mit dem Fachausschuss Umweltinformatik, dem Fachbereich Künstliche Intelligenz und weiteren Gliederungen sollen Nachhaltigkeitsfragen in der Breite der Informatik diskutiert werden.

Vier Handlungsfelder in der Informatik

Ganz im Sinne der UN-Nachhaltigkeitsziele stellen die ökologischen Aspekte im Kontext der Digitalisierung aber nur eine Dimension dar, die wir als Fachgesellschaft grundsätzlich und im Hinblick auf die „INFORMATIK 2021“ speziell in den Blick nehmen wollen. Dabei stellen der Natur- und Klimaschutz sowie die nachhaltige Ressourcennutzung ein wichtiges Kernanliegen dar. Wir fragen: Welche Lösungsansätze bietet die Informatik für drängende Umwelt- und Naturschutzfragen? Wie können Ressourcen mit digitalen Werkzeugen effizienter eingesetzt werden? Damit setzt sich der GI-Fachausschuss Umweltinformatik seit mehr als 30 Jahren auseinander.

Gleichzeitig stellt sich in Zukunft verstärkt die Frage, wie Klimaeffekte der zunehmenden Digitalisierung reduziert werden können. Damit sind wir bei der zweiten, einer technologischen Dimension. So macht der Betrieb von Rechenzentren mittlerweile einen signifikanten Teil des Energieverbrauches aus. Das Training eines komplexen KI-Systems zur Bilderkennung kann beispielsweise genauso viel CO2 freisetzen wie fünf PKW im Laufe ihrer gesamten Lebensdauer. Im Rahmen der GI-Jahrestagung 2021 wollen wir u. a. die Frage adressieren, wie effizientere und ressourcenschonendere Algorithmen, Architekturen und informatische Systeme konzipiert werden können. Kann „Sustainability by Design“ zum Grundprinzip der Entwicklung von Softwaresystemen werden? Wie können Forschungsdaten aus der Informatik auch noch in Jahr-zehnten effizient nachgenutzt werden?

Darüber hinaus hat die Digitalisierung unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten auch eine soziale und eine ökonomische Dimension. Wie wird sich Arbeit durch die Digitalisierung verändern, wie gestalten wir die Arbeitswelt der Zukunft und welche Anforderungen stellt das an die informatischen Systeme, die diese Strukturen unterstützen? Wie muss eine gute Bildung in der und für die digital vernetzte Welt aussehen, und wie muss sich unser Bildungssystem in der Post-Corona-Zeit verändern? Welcher Governance-Strukturen bedarf es im Internet der Zukunft oder beim Einsatz von künstlicher Intelligenz?

Bedarf es einer neuen Ethik in der digitalen Welt, wie kann Regulierung aussehen und welche Rolle muss die Informatik dabei spielen? Soll die GI curriculare Empfehlungen für Green Coding entwickeln, und wie können diese aussehen?

Diese Fragen und noch viele mehr wollen wir im Rahmen der „INFORMATIK 2021“ im September 2021 in Berlin mit Ihnen diskutieren und hoffen, dass die 51. Jahrestagung nicht nur an die 50 erfolgreichen Vorgängerveranstaltungen anknüpft, sondern auch einen Aufbruch zur Verankerung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Mitte der Informatik markiert.

Prof. Dr.-Ing. Ulrike Lucke © Kathrin Richter
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